THEATER Ensemble „Lampenfieber“ probt Stück „Peinlichkeiten des Lebens“
Von Wolfgang Höpp – Allgemeine Zeitung Landskrone vom Samstag, 4. November 2017
GUNTERSBLUM. „87,23 Euro – Zahlen Sie mit Karte?“ Claudia Sons vom Theaterensemble „Lampenfieber“ hat wieder einmal zur Feder gegriffen und mit ihrem neuen Stück „Peinlichkeiten des Lebens“ den Lebensmittelpunkt mancher Konsumenten in den OP(P)TI-Markt nach Dienheim in die Siliussteinhalle verlegt. Ein Schelm, wer darüber spekuliert, ob es sich hier um eine Persiflage auf die Namensgepflogenheiten und Marketingstrategien der direkt angrenzenden Nachbargemeinde handelt.
Improvisation auf Teufel komm raus
Vor die geplanten Aufführungen hat der gestrenge Theatergott die Proben befohlen, die im Kelterhaus des Weingutes Hedderich in Guntersblum stattfinden. Dort sind in einem Regal neben der Kelter die Lieblingslebensmittel der Deutschen gestapelt, darunter Pizzen in allen Variationen und knusprig-knabbrige Cashewkerne.
Es wird bei der Theaterprobe aber auch auf „Teufel komm raus“ improvisiert. So dient schon einmal eine Milchtüte als Telefonersatz. Da sind die beiden Kassiererinnen Frau Maier (Domi Kunze) und Frau Müller (Sandra Walldorf), die mit ihrem „rhoihessischen“ Dialekt jedem Kunden klarmachen, dass es sich um einen Markt im Herzen Rheinhessens handeln muss. Die ausgesprochen unbeholfene und laufend heulende Azubine (Claudia Sons) und der Haustechniker Karl Metzger (Rolf Hedderich), der mit seiner voluminösen Stimme allein schon die Siliussteinhalle füllen könnte, passen in diese Umgebung wie die sprichwörtliche „Faust aufs Auge“.
Zu dem OP(P)TI-Markt gehören nur besondere Kunden, wie Herr Laier (Peter Kunze), Oma Irmgard (Katrin Fell) und die smarte Kommunalpolitikerin (Nicole Becker-Mutschler). Es fängt alles ganz harmlos an: So werden im OP(P)TI-Markt, wie es sich gehört, die Dinge des täglichen Lebens eingekauft. Souverän wird auch jeder Kunde nach dem Bezahlen von Frau Maier und Frau Müller mit dem mindestens zwei Minuten dauernden heruntergeleierten Satz hinauskomplimentiert, der in seiner Kurzversion lautet: „Wollen Sie mit Karte oder Pay-Pal zahlen? Oder wollen Sie für ,Brot für die Welt’ Geld einzahlen? Beehren Sie uns bald wieder! Bei Fragen wenden Sie sich an unseren Marktleiter (Joachim Buthmann) persönlich oder schicken Sie uns eine E-Mail!“
Nach 15 Minuten fängt das Karussell an, sich langsam zu drehen. Jetzt verwandeln sich die Kassiererinnen plötzlich in kreischende Gören mit Selfietick, um danach – um 50 Jahre gealtert – als ständig schwätzende Betschwestern den Pfarrer alias Haustechniker Karl Metzger bei seiner geplanten Predigt über Passagen aus dem Buch Moses nicht zu Wort kommen zu lassen. Der Pfarrer wiederum entpuppt sich als treusorgender Sohn, der seiner Mutter, der ehemaligen Azubine – jetzt im Oma-Outfit – hilft, den Getränkeautomaten zu bedienen. Danach kehrt der Brave wieder in die Rolle des Haustechnikers zurück.
Das Rollenkarussell dreht sich jetzt mit schwindelerregender Geschwindigkeit immer schneller. Nur unterbrochen durch die „einprägsame“ Werbung: „Jeden Tag zum OP(P)TI-Markt“. Offensichtlich animiert durch die im zweiten Werbeblock angepriesene feine und grobe „Rügenwalder Teewurst“ mutiert jeder einzelne Darsteller zum „Tausendrollensassa“. Die Zeit zum Kostümwechsel für die nächste Rolle verkürzt sich auf 30 Sekunden: rote Perücke runter, blonde Perücke rauf. Alle Mimen sind bei diesem atemberaubenden Tempo zu loben, meistern sie doch das permanente „Bäumchen-wechsel-dich-Spiel“ mit Bravour. Die Zahl der Rollen liegt nach Claudia Sons, die auch Regie führt, zwischen zehn und 100. Den genauen Wert kann jeder Zuschauer bei den drei mit allerlei Überraschungen gespickten Aufführungen am dritten Wochenende im November selbst herausfinden. Am Ende der dreistündigen Probe kommen der Berichterstatter und die Souffleuse des Theaterensembles, Renate Hedderich, zur Erkenntnis: „Die machen nichts, die wollen ja nur spielen!“
TICKETS
Vorstellungen : Freitag, 17. November, 19.30 Uhr; Samstag, 18. November, 19.30 Uhr; Sonntag, 19. November, 14.30 Uhr. Einlass je eine Stunde vor Beginn.
Karten im Vorverkauf für 10 Euro im Autohaus Walldorf in Oppenheim, bei D. Kunze unter Telefon 06133-92 68 53 oder an der Abendkasse für 12 Euro.